Der Ursprung des Bösen
 



Aus "Der große Kampf" von Ellen Gould Withe

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Für viele Menschen ist der Ursprung der Sünde und der Grund ihres
Daseins sehr verwirrend. Sie sehen die Auswirkungen der Sünde mit
ihren schrecklichen Folgen, dem Kummer und der Verwüstung, und sie
fragen sich, wie dies alles unter der Herrschaft des Einen bestehen kann,
dessen Weisheit, Macht und Liebe unendlich ist. Das ist ein Geheimnis, für
das sie keine Erklärung finden können. Und in ihrer Ungewissheit und ihrem
Zweifel sind sie blind gegenüber den so klar in Gottes Wort offenbarten und
zur Erlösung so wesentlichen Wahrheiten. Es gibt Menschen, die bei ihrem
Forschen über das Dasein der Sünde Dinge zu ergründen suchen, die Gott nie
offenbart hat. Daher finden sie auch keine Lösung ihrer Schwierigkeiten; und
solche Menschen, die mit einem Hang zum Zweifeln oder zu Spitzfindigkeiten
behaftet sind, führen diese Schwierigkeiten als Entschuldigung dafür an,
dass sie die Worte der Heiligen Schrift verwerfen. Anderen fehlt ein zufriedenstellendes
Verständnis der wichtigen Frage über die Sünde, weil herkömmliche
Überlieferungen und falsche Auslegungen die Lehren der Bibel über das
Wesen Gottes, die Art und Weise seiner Regierung und die Grundsätze seines
Verfahrens mit der Sünde verdunkelt haben.
Es ist unmöglich, den Ursprung der Sünde so zu erklären, dass dadurch eine
Begründung für ihr Dasein gegeben würde. Doch kann genug vom Ursprung
und endgültigen Schicksal der Sünde verstanden werden, um die Gerechtigkeit
und die Güte Gottes in seinem ganzen Verfahren mit dem Bösen vollständig
zu offenbaren. Die Heilige Schrift lehrt nichts deutlicher, als dass Gott
in keiner Hinsicht für das Eindringen der Sünde verantwortlich war, und dass
zum Entstehen einer Empörung weder ein willkürliches Entziehen der göttlichen
Gnade noch eine Unvollkommenheit in der göttlichen Regierung Anlass
gab. Die Sünde ist ein Eindringling, für dessen Erscheinen wir keine Ursache
angeben können. Sie ist geheimnisvoll, seltsam und sie zu entschuldigen,
hieße sie zu verteidigen. Wäre ihr Dasein entschuldbar oder
zu begründen, so hörte sie auf, Sünde zu sein. Unsere einzige Auslegung der
Sünde entnehmen wir dem Wort Gottes – sie ist »Übertretung des Gesetzes«,
sie ist die Ausübung eines Grundsatzes, der mit dem großen Gesetz der Liebe,
das die Grundlage der göttlichen Regierung bildet, in Feindschaft steht.
Bevor das Böse Eingang fand, herrschten Friede und Freude im ganzen
Weltall. Alles befand sich in vollkommener Harmonie mit dem Willen des
Schöpfers. Die Liebe zu Gott war über alles erhaben, die Liebe zueinander rein
in ihren Beweggründen. Christus, das Wort, der eingeborene Sohn Gottes, war
eins mit dem ewigen Vater – eins in Natur, eins in seinem Wesen und eins in seinem
Vorhaben. Er ist das einzige Wesen im ganzen Weltall, das mit allen Ratschlüssen
und Absichten Gottes vertraut war. Durch Christus wirkte der Vater
bei der Erschaffung aller himmlischen Wesen. »Durch ihn ist alles geschaffen,
was im Himmel ... ist, das Sichtbare und Unsichtbare, es seien Throne oder
Herrschaften oder Fürstentümer oder Obrigkeiten.« Kolosser 1,16 Der ganze Himmel
versprach Christus und dem Vater Treue und Gehorsam.
Da das Gesetz der Liebe die Grundlage der Regierung Gottes war, hing
das Glück aller erschaffenen Wesen von ihrer vollkommenen Übereinstimmung
mit den erhabenen Grundsätzen der Gerechtigkeit ab. Gott sieht bei
allen seinen Geschöpfen auf den Dienst der Liebe, auf eine Huldigung, die
einer einsichtsvollen Wertschätzung seines Charakters entspringt. Er hat
kein Gefallen an erzwungener Treue. Er verleiht allen Menschen Willensfreiheit,
damit sie ihm freiwillig dienen können.
Einer war jedoch da, der es vorzog, diese Freiheit zu verfälschen. Die Sünde
hatte ihren Ursprung bei dem, der neben Christus am meisten von Gott geehrt
worden war, und der unter den Bewohnern des Himmels an Macht und Ehre am
höchsten stand. Vor seinem Fall war Luzifer der erste und schirmende Engel,
heilig und unbefleckt »So spricht Gott der HERR: Du warst das Abbild der Vollkommenheit,
voller Weisheit und über die Maßen schön ... Du warst ein glänzender,
schirmender Cherub, und auf den heiligen Berg hatte ich dich gesetzt;
ein Gott warst du und wandeltest inmitten der feurigen Steine. Du warst ohne
Tadel in deinem Tun von dem Tage an, als du geschaffen wurdest, bis an dir
Missetat gefunden wurde.« Hesekiel 28,12-15
Von allen Engelscharen geliebt und geehrt, hätte Luzifer in der Gunst Gottes
bleiben und seine ganze hohe Begabung zum Segen anderer und zur Verherr-
lichung seines Schöpfers anwenden können. Aber der Prophet sagt: »Dein
Herz hat sich überhoben wegen deiner Schönheit; du hast deine Weisheit um
deines Glanzes willen verderbt.« Hesekiel 28,17 Schlachter 2000 Ganz allmählich
kam in Luzifer die Neigung zur Selbsterhebung auf:
»Weil sich denn dein Herz erhebt, als wäre es eines Gottes Herz.« »Gedachtest du doch
... Ich will meinen Stuhl über die Sterne Gottes erhöhen; ich will mich setzen
auf den Berg der Versammlung ... ich will über die hohen Wolken fahren und
gleich sein dem Allerhöchsten.« Hesekiel 28,6; Jesaja 14,13.14 Anstatt danach zu
trachten, Gott durch die Anhänglichkeit und Treue seiner Geschöpfe über alles
zu erhöhen, war es Luzifers Bestreben, ihren Dienst und ihre Huldigung für sich
zu gewinnen. Und indem er nach der Ehre verlangte, die der unendliche Vater
seinem Sohn gegeben hatte, strebte dieser Engelfürst nach einer Macht, die
ausschließlich Christus vorbehalten war.
Der ganze Himmel hatte Freude daran gefunden, die Herrlichkeit des
Schöpfers widerzustrahlen und seine Gerechtigkeit zu rühmen. Und während
Gott auf diese Weise geehrt wurde, war alles von Frieden und Freude erfüllt
gewesen. Doch nun störte ein Misston die himmlische Harmonie. Die Selbsterhebung
und ihr Dienst, die dem Plan des Schöpfers zuwider sind, erweckten
unheilvolle Vorahnungen in Gemütern, denen die Verherrlichung Gottes das
Höchste bedeutete. Der himmlische Rat verhandelte die Angelegenheit mit
Luzifer. Der Sohn Gottes stellte ihm die Größe, Güte und Gerechtigkeit des
Schöpfers und das heilige und unveränderliche Wesen seines Gesetzes vor
Augen. Gott selbst habe die Ordnung des Himmels eingeführt, und Luzifer
werde seinen Schöpfer verachten und sich ins Verderben stürzen, wenn er von
dieser Ordnung abweiche. Aber die in unendlicher Liebe und Barmherzigkeit
erteilte Warnung erregte nur den Geist des Widerstands. Luzifer ließ sich von
Eifersucht gegen Christus beherrschen und handelte umso entschlossener.
Der Stolz auf seine Herrlichkeit förderte das Verlangen nach Oberherrschaft.
Die Luzifer erwiesenen hohen Ehren wurden von ihm nicht als Gabe
Gottes anerkannt und stimmten ihn nicht dankbar gegen den Schöpfer. Er
brüstete sich mit seiner Herrlichkeit und erhabenen Stellung und strebte
danach, Gott gleich zu sein. Die himmlischen Heerscharen liebten und ehrten
ihn. Engel fanden Freude daran, seine Anordnungen auszuführen. Er war mehr
als sie alle mit Weisheit und Herrlichkeit ausgestattet. Dennoch war der Sohn
Gottes der anerkannte Fürst des Himmels, eins mit dem Vater in Macht und
Gewalt. An allen Ratschlüssen Gottes hatte Christus Anteil, während Luzifer
nicht so tief in die göttlichen Absichten eingeweiht wurde. Warum, so fragte
dieser gewaltige Engel, sollte Christus die Oberherrschaft haben? Warum
wird er auf diese Weise höher geehrt als ich?
Luzifer verließ seinen Platz in der unmittelbaren Nähe Gottes und fing an,
den Geist der Unzufriedenheit unter die Engel zu streuen. Während er geheimnisvoll
und verschwiegen handelte und seine wahren Absichten eine Zeit lang
unter dem Anschein der Ehrfurcht vor Gott verbarg, versuchte
er, Unzufriedenheit über die den himmlischen Wesen gegebenen Gesetze zu
stiften und argumentierte, dass diese unnötig einschränkten. Er behauptete,
die Engel dürften auch den Eingebungen ihres eigenen Willens gehorchen, da
sie von Natur heilig seien. Er versuchte, Mitgefühl für sich selbst zu gewinnen,
indem er das Geschehen so darstellte, als behandelte Gott ihn ungerecht, weil
er Christus die höchste Ehre zukommen ließ. Er gab vor, nicht nach Selbsterhebung
zu streben, wenn er mehr Macht und Ehre suche, sondern dass er
die Freiheit für alle Himmelsbewohner sichern wolle, damit sie dadurch eine
höhere Daseinsstufe erreichen könnten.
Gott trug Luzifer lange mit großer Barmherzigkeit. Er entließ ihn nicht
sofort aus seiner hohen Stellung, als er begann, dem Geist der Unzufriedenheit
nachzugeben – selbst dann noch nicht, als er seine falschen Ansprüche
den treuen Engeln unterbreitete. Gott duldete ihn noch lange Zeit im
Himmel. Immer wieder wurde ihm unter der Bedingung, dass er bereute und
sich unterordnete, Vergebung angeboten. So große Anstrengungen wurden
unternommen, wie sie nur unendliche Liebe und Weisheit ersinnen konnten,
um ihn seines Irrtums zu überführen. Bisher hatte man im Himmel den Geist
der Unzufriedenheit nicht gekannt. Luzifer selbst sah anfangs nicht, wohin
es ihn trieb und erkannte die wahre Natur seiner Gefühle nicht. Als dann die
Grundlosigkeit seiner Unzufriedenheit nachgewiesen wurde, kam er zu der
Überzeugung, dass er sich im Unrecht befand, dass die göttlichen Ansprüche
gerecht waren und er sie als solche vor dem ganzen Himmel anerkennen
müsste. Wäre er dem nachgekommen, so hätte er sich selbst und viele Engel
retten können, denn zu dieser Zeit hatte er seine Untertanentreue gegen
Gott noch nicht ganz aufgegeben. Obwohl er seine Stellung als schirmender
Engel verlassen hatte, wäre er doch wieder in sein Amt eingesetzt worden,
hätte er zu Gott zurückgefunden, die Weisheit des Schöpfers anerkannt und
sich begnügt, den ihm nach dem erhabenen Plan Gottes zugeordneten Platz
auszufüllen. Aber sein Stolz hinderte ihn, sich zu unterwerfen. Er verteidigte
beharrlich sein Verhalten und behauptete, keine Buße nötig zu haben und
konzentrierte sich ganz auf den großen Streit mit seinem Schöpfer.
Nun richtete er alle Kräfte seines gewaltigen Geistes auf Täuschungen,
um bei den Engeln, die unter seinem Befehl gestanden hatten, Mitgefühl
zu wecken. Sogar die Tatsache, dass Christus ihn gewarnt und ihm geraten
hatte, wurde verdreht, um sie für seine verräterischen Zwecke zu verwenden.
Denen, deren liebevolles Vertrauen sie am innigsten mit ihm verband,
hatte er vorgehalten, dass man ihn ungerecht beurteile und seine Stellung
nicht achte und dass seine Freiheit beschränkt werden solle. Von falschen
Darstellungen der Worte Christi ging er auf Verdrehungen
und grobe Unwahrheiten über und beschuldigte den Sohn Gottes, ihn
vor den Bewohnern des Himmels demütigen zu wollen. Auch versuchte er
Streit zwischen sich und den treuen Engeln anzuzetteln. Alle, die er nicht
verführen und völlig auf seine Seite ziehen konnte, klagte er an, gegenüber
dem Wohl der himmlischen Wesen gleichgültig zu sein. Gerade das
Werk, das er selbst betrieb, legte er denen zur Last, die Gott treu blieben.
Und um seiner Klage über Gottes Ungerechtigkeit gegen ihn Nachdruck zu
verleihen, stellte er die Worte und Handlungen des Schöpfers falsch dar.
Es lag in seiner Absicht, die Engel mit spitzfindigen Beweisführungen hinsichtlich
der Absichten Gottes zu verwirren. Alles, was einfach war, hüllte er
ins Geheimnisvolle und schürte durch listige Verdrehungen Zweifel gegenüber
den deutlichsten Aussagen des Allerhöchsten. Seine hohe Stellung
in solch enger Verbindung mit der göttlichen Regierung verlieh seinen Vorspiegelungen
eine umso größere Kraft und veranlasste viele Engel, sich
ihm bei der Empörung gegen die Herrschaft des Himmels anzuschließen.
Der allweise Gott gestattete es Satan, sein Werk weiterzuführen, bis der
Geist der Unzufriedenheit zu offenem Aufruhr heranreifte. Seine Pläne mussten
völlig ausreifen, damit ihr wahres Wesen und Streben von allen erkannt
werden konnte. Luzifer hatte als gesalbter Cherub eine besonders hohe Stellung
eingenommen. Er war von den himmlischen Wesen sehr geliebt worden
und hatte großen Einfluss auf sie ausgeübt. Gottes Regierung erstreckte sich
nicht nur über die Geschöpfe des Himmels, sondern auch über alle Welten,
die er geschaffen hatte. Und Satan glaubte, falls er die Engel des Himmels mit
in die Empörung hineinziehen könnte, würde er dasselbe auch auf anderen
Welten zu Stande bringen. Sehr geschickt hatte er seinen Standpunkt in der
Angelegenheit bekundet und Scheingründe und Betrug angewandt, um seine
Absichten zu erreichen. Seine Macht zu täuschen war sehr groß, und indem
er sich in ein Lügengewand kleidete, hatte er einen großen Vorteil gewonnen.
Sogar die treuen Engel vermochten nicht völlig seinen Charakter zu durchschauen
oder zu erkennen, wohin sein Tun führte.
Satan war so hoch geehrt worden, und alle seine Handlungen waren so
geheimnisumwoben, dass es schwierig war, den Engeln die wahre Natur seines
Wirkens zu enthüllen. Bis zu ihrer völligen Entfaltung konnte die Sünde
nicht als so böse erscheinen, wie sie wirklich war. Vorher hatte sie keinen
Platz in Gottes Weltall gehabt, und den heiligen Wesen war ihre Natur und
Bösartigkeit unbekannt gewesen. Sie konnten die schrecklichen Folgen nicht
erkennen, die ein Absetzen des göttlichen Gesetzes nach sich zöge. Satan
hatte zuerst sein Werk unter einer scheinbaren Anhänglichkeit an Gott verborgen.
Er gab vor, die Ehre Gottes, die Beständigkeit seines
Reiches und das Wohl aller Himmelsbewohner fördern zu wollen. Während er
den ihm untergeordneten Engeln Unzufriedenheit einflößte, gab er sich sehr
geschickt den Anschein, als wolle er jede Unzufriedenheit beseitigen. Als er
darauf drang, dass Veränderungen an den Gesetzen und Verordnungen der
Regierung Gottes vorgenommen werden sollten, geschah es unter dem Vorwand,
dass sie notwendig seien, um die Eintracht des Himmels zu bewahren.
In dem Verfahren mit der Sünde konnte Gott nur mit Gerechtigkeit und
Wahrheit vorgehen. Satan handelte, wie Gott nicht handeln konnte – durch
Schmeichelei und Betrug. Er hatte versucht, das Wort Gottes zu verfälschen,
und hatte den Plan seiner Regierung den Engeln falsch dargestellt, indem
er behauptete, Gott sei nicht gerecht, wenn er den Bewohnern des Himmels
Gesetze und Vorschriften auferlege. Er wolle sich nur selbst erheben, indem
er von seinen Geschöpfen Unterwürfigkeit und Gehorsam fordere. Deshalb
müsse sowohl den Bewohnern des Himmels als auch denen aller Welten klar
gezeigt werden, dass Gottes Regierung gerecht und sein Gesetz vollkommen
sei. Satan hatte sich den Anschein gegeben, als habe er selbst das Glück des
Weltalls im Blick. Alle sollten den wahren Charakter dieses Aufrührers und
dessen eigentliche Absichten verstehen, und deshalb musste er Zeit erhalten,
sich durch seine gottlosen Werke zu offenbaren.
Die Uneinigkeit, die durch sein Verhalten im Himmel entstanden war,
legte Satan dem Gesetz und der Regierung Gottes zur Last. Alles Böse,
erklärte er, sei die Folge der göttlichen Regierung. Er wolle die Satzungen
Gottes verbessern. Deshalb war es notwendig, dass er die Art seiner Ansprüche
aufdeckte und die Wirkung seiner vorgeschlagenen Veränderungen am
göttlichen Gesetz praktisch zeigte. Sein eigenes Werk musste ihn verdammen.
Er hatte von Anfang an behauptet, er sei kein Empörer, daher soll das
ganze Weltall den Betrüger entlarvt sehen.
Selbst als es beschlossen war, dass Satan nicht länger im Himmel bleiben
könnte, vernichtete ihn die unendliche Weisheit nicht. Da nur ein Dienst aus
Liebe Gott angenehm sein kann, muss sich die Treue seiner Geschöpfe auf
die Überzeugung von seiner Gerechtigkeit und Güte gründen. Die Bewohner
des Himmels und anderer Welten hätten die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit
Gottes bei der Vernichtung Satans nicht erkennen können, weil sie unvorbereitet
waren, das Wesen oder die Folgen der Sünde zu begreifen. Wäre er
unmittelbar aus dem Dasein getilgt worden, hätten sie Gott mehr aus Furcht
als aus Liebe gedient. Weder wäre der Einfluss des Betrügers völlig verwischt
noch der Geist der Empörung ganz ausgetilgt worden. Das Böse musste reifen.
Zum Besten des gesamten Weltalls für ewige Zeiten musste Satan seine
Grundsätze ausführlicher entfalten, damit alle erschaffenen
Wesen seine Anklagen gegen die göttliche Regierung in ihrem wahren Lichte
sehen und die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes sowie die Unveränderlichkeit
seines Gesetzes für immer ohne allen Zweifel feststellen konnten.
Satans Empörung sollte dem Weltall für alle künftigen Zeiten eine Lehre
sein, ein beständiges Zeugnis für die Natur und die schrecklichen Folgen der
Sünde. Die Auswirkung der Grundsätze Satans und ihre Folgen auf Menschen
und Engel sollten das Ergebnis der Missachtung der göttlichen Allmacht zeigen.
Sie mussten bezeugen, dass mit dem Bestehen der Regierung Gottes und
seines Gesetzes das Wohlergehen aller von ihm erschaffenen Wesen verbunden
ist. So sollte die Geschichte dieses schrecklichen Empörungsversuches
für alle heiligen Wesen eine ständige Schutzwehr sein, um zu verhindern, dass
sie über die Natur der Übertretung getäuscht würden, und um sie davor zu
bewahren, Sünde zu begehen und ihre Strafe zu erleiden.
Bis zum Ende des Streites im Himmel hörte der große Aufrührer nicht auf,
sich zu rechtfertigen. Als angekündigt wurde, dass er mit all seinen Anhängern
aus den Stätten der Wonne ausgestoßen werden müsse, erklärte der
Rädelsführer kühn, er verachte des Schöpfers Gesetz. Er wiederholte immer
wieder seine Behauptung, dass die Engel keine Aufsicht benötigen, sondern
frei sein müssten, ihrem eigenen Willen zu folgen, der sie allezeit richtig führen
werde. Er verachtete die göttlichen Satzungen als Beschränkung ihrer
Freiheit und erklärte, dass er das Gesetz abschaffen wollte, damit die Heerscharen
des Himmels, von diesem Zwang befreit, zu einem erhabeneren,
herrlicheren Dasein gelangen möchten.
In völligem Einverständnis legten Satan und seine Scharen die Verantwortung
für ihre Empörung ausnahmslos Christus zur Last und behaupteten,
sie hätten sich niemals aufgelehnt, wenn sie nicht gerügt worden wären. Da
der Erzempörer und alle seine Anhänger hartnäckig und herausfordernd in
ihrer Treulosigkeit verharrten, da sie sich vergeblich bemühten, die Regierung
Gottes zu stürzen und sich dennoch Gott gegenüber lästernd als
unschuldige Opfer einer ungerechten Macht hinstellten, wurden sie schließlich
aus dem Himmel verbannt.
Derselbe Geist, der die Empörung im Himmel anstiftete, ist noch immer
für den Aufruhr auf Erden zuständig. Satan verfolgt bei den Menschen
denselben Plan, den er bei den Engeln anwandte. Sein Geist herrscht jetzt
in den Kindern des Ungehorsams. Wie er versuchen auch sie die Schranken
des Gesetzes Gottes niederzureißen und versprechen den Menschen Freiheit
durch Übertretung seiner Verordnungen. Wegen der Sünde gerügt zu werden,
erweckt noch immer den Geist des Hasses und des Widerstandes. Wirken
Gottes Warnungsbotschaften auf das Gewissen, so verleitet
Satan die Menschen, sich zu rechtfertigen und bei anderen Teilnahme für ihr
sündiges Leben zu suchen. Statt ihre Irrtümer zu berichtigen, sind sie unwillig
gegen den Mahner, als sei er die einzige Ursache ihrer Schwierigkeit. Von
den Tagen des gerechten Abel bis in unsere Zeit hat sich dieser Geist denen
gegenüber offenbart, die es wagten, die Sünde zu rügen.
Durch dieselbe falsche Darstellung des Wesens Gottes, deren Satan sich
im Himmel bediente und die Gott als streng und herrschsüchtig abstempelte,
verleitete er die Menschen zur Sünde. Und als er damit Erfolg hatte, behauptete
er, Gottes ungerechte Einschränkungen hätten zum Fall der Menschen geführt,
wie sie auch Anlass zu seiner eigenen Empörung gewesen wären.
Aber der Ewige selbst verkündet sein Wesen als »HERR, HERR, Gott, barmherzig
und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, der da Tausenden
Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde, aber
ungestraft lässt er niemand.« 2.Mose 34,6.7
Durch die Verbannung Satans aus dem Himmel bekundete Gott seine
Gerechtigkeit und behauptete die Ehre seines Thrones. Als aber der Mensch
sündigte, weil er auf die Täuschungen dieses abgefallenen Engelfürsten einging,
bewies Gott seine Liebe, indem er seinen eingeborenen Sohn für die
gefallene Menschheit in den Tod gab. In der Versöhnung offenbart sich das
Wesen Gottes. Das Kreuz ist für das ganze Weltall der mächtigste Beweis,
dass das sündige Verhalten Luzifers in keiner Hinsicht der Herrschaft Gottes
zur Last gelegt werden kann.
Im Kampf zwischen Christus und Satan wurde während des irdischen Wirkens
Jesu der Charakter des großen Betrügers entlarvt. Nichts hatte Satan
so gründlich von der Zuneigung der himmlischen Engel und des ganzen
dem Gesetz ergebenen Weltalls trennen können wie dieser grausame Streit
gegen den Erlöser der Welt. Die vermessene Lästerung in seiner Forderung,
Christus solle ihn anbeten, seine anmaßende Dreistigkeit, ihn auf den Bergesgipfel
und die Tempelzinne zu tragen, die heimtückische Absicht, die in
dem Vorschlag deutlich wurde, Christus solle sich von dieser schwindelnden
Höhe hinabstürzen, die nie ruhende Bosheit, die ihn von Ort zu Ort verfolgte
und die Herzen von Priestern und Volk anfeuerte, seine Liebe zu verwerfen,
und schließlich der Schrei: »Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!« – dies alles erregte
das Erstaunen und die Entrüstung des Alls.
Satan verführte die Welt, dass sie Christus verwarf. Der Fürst des Bösen
wandte all seine Macht und Verschlagenheit an, Jesus zu verderben, denn er
sah, dass des Heilands Barmherzigkeit und Liebe, seine mitleidsvolle Zärtlichkeit
und Teilnahme der Welt das Wesen Gottes veranschaulichten. Satan
bestritt jeden Anspruch des Sohnes Gottes und benutzte
Menschen als seine Werkzeuge, um das Leben des Heilands mit Leiden und Sorge
anzufüllen. Die Spitzfindigkeiten und Unwahrheiten, durch die er das Werk
Christi zu hindern versuchte, der durch die Kinder des Ungehorsams bekundete
Hass, Satans grausame Anschuldigungen gegen den, dessen Leben ein beispielloser
Liebesdienst war – alles entsprang einem tief eingewurzelten Rachedurst.
Das zurückgehaltene Feuer des Neides und der Bosheit, des Hasses und
der Rachsucht brach auf Golgatha gegen den Sohn Gottes hervor, während
der ganze Himmel in stillem Entsetzen auf dieses Geschehen herabblickte.
Als das große Opfer vollbracht war, fuhr Christus auf zum Vater, weigerte
sich jedoch, die Anbetung der Engel entgegenzunehmen, ehe er dem Vater
die Bitte vorgelegt hatte: »Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir
seien, die du mir gegeben hast.« Johannes 17,24 Dann kam mit unaussprechlicher
Liebe und Macht die Antwort vom Thron Gottes: »Es sollen ihn alle
Engel Gottes anbeten.« Hebräer 1,6 Kein Makel ruhte auf Jesus. Als seine
Erniedrigung zu Ende war und er sein Opfer vollbracht hatte, wurde ihm ein
Name gegeben, der über alle Namen ist.
Nun wurde deutlich, dass es für Satans Vergehen keine Entschuldigung
gab. Er hatte seinen wahren Charakter als Lügner und Mörder offenbart. Es
zeigte sich, dass er denselben Geist, mit dem er die unter seiner Macht stehenden
Menschen regierte, auch im Himmel bekundet hätte, wäre es ihm
gestattet gewesen, über dessen Bewohner zu herrschen. Er hatte behauptet,
die Übertretung des Gesetzes Gottes bringe Freiheit und Verbesserung – stattdessen
zeigte es sich, dass Knechtschaft und Entartung die Folge waren.
Satans lügenhafte Anschuldigungen gegen den göttlichen Charakter
und die Regierung Gottes erschienen in ihrem wahren Licht. Er hatte Gott
beschuldigt, dieser fordere von seinen Geschöpfen um seiner eigenen
Erhöhung willen Unterwerfung und Gehorsam und hatte erklärt, dass der
Schöpfer, der doch von allen anderen Selbstverleugnung erpresse, sie weder
selbst übe noch Opfer bringe. Nun wurde aber sichtbar, dass zum Heil der
gefallenen und sündigen Menschen der Herrscher des Weltalls das größte
Opfer gebracht hatte, das die Liebe zu bringen vermochte; »Denn Gott war
in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber«. 2.Korinther 5,19 Man sah
auch, dass Luzifer durch sein Verlangen nach Ehre und Oberherrschaft der
Sünde Einlass verschafft hatte und dass Christus sich selbst demütigte und
bis zum Tod gehorsam wurde, um die Sünde auszutilgen.
Gott hatte seinen Abscheu gegen die Grundsätze der Empörung deutlich
bekundet. Der gesamte Himmel sah sowohl in der Verdammung Satans als
auch in der Erlösung des Menschen eine Offenbarung seiner Gerechtigkeit.
Luzifer hatte erklärt, dass jeder Übertreter auf ewig von der
Huld des Schöpfers ausgeschlossen sein müsse, wenn das Gesetz Gottes
unveränderlich und seine Strafe unerlässlich sei. Er hatte behauptet, dass
das sündige Menschengeschlecht nicht erlöst werden könne und deshalb
seine rechtmäßige Beute sei. Aber der Tod Christi war ein Beweis zu Gunsten
der Menschen, der nicht widerlegt werden konnte. Die Strafe des Gesetzes
fiel auf den, der Gott gleich war, und der Mensch konnte die Gerechtigkeit
Christi annehmen und durch einen bußfertigen und demütigen Wandel über
die Macht Satans siegen, wie auch der Sohn Gottes gesiegt hatte. Somit ist
Gott gerecht und macht gerecht alle, die an Jesus glauben.
Christus kam jedoch nicht nur auf diese Erde, um durch sein Leiden und
Sterben die Erlösung des Menschen zu sichern; er kam auch, um das »Gesetz
herrlich und groß« zu machen. Nicht allein, damit die Bewohner dieser Welt das
Gesetz achten sollen, wie es ihm zusteht, sondern um allen Welten der ganzen
Schöpfung zu beweisen, dass das Gesetz Gottes unveränderlich ist. Wären
seine Ansprüche aufhebbar gewesen, dann hätte der Sohn Gottes nicht sein
Leben opfern müssen, um die Übertretung zu sühnen. Der Tod Christi beweist
die Unveränderlichkeit des Gesetzes. Und das Opfer, zu dem die unendliche
Liebe den Vater und den Sohn drang, damit Sünder erlöst werden können,
zeigt dem ganzen Weltall – wie nichts Geringeres als dieser Erlösungsplan es
hätte zeigen können –, dass Gerechtigkeit und Barmherzigkeit die Grundlage
des Gesetzes und der Regierung Gottes sind.
Bei der endgültigen Vollstreckung des Gerichts wird es sich herausstellen,
dass kein Grund für die Sünde besteht. Wenn der Richter der ganzen
Erde Satan fragen wird: Warum hast du dich gegen mich empört und mich der
Untertanen meines Reiches beraubt? Dann wird der Urheber des Bösen keine
Entschuldigung vorbringen können. Aller Mund wird verstopft werden, und die
aufrührerischen Scharen werden stumm bleiben.
Während das Kreuz auf Golgatha das Gesetz als unveränderlich erklärt,
verkündet es der Welt, dass der Tod der Sünde Sold ist. Mit dem Todesruf des
Heilandes: »Es ist vollbracht!« wurde Satans Vernichtung angekündigt. Der
große, so lange andauernde Streit wurde entschieden und die endgültige
Austilgung der Sünde sichergestellt. Der Sohn Gottes ging durch die Tore des
Todes, »damit er durch seinen Tod die Macht nähme dem, der Gewalt über den
Tod hatte, nämlich dem Teufel«. Hebräer 2,14 Luzifers Verlangen nach Selbsterhebung
hatte ihn verleitet, zu sagen: »Ich will ... meinen Stuhl über die Sterne
Gottes erhöhen, ... ich will ... gleich sein dem Allerhöchsten.« Gott sprach:
»Darum will ich ... dich zu Asche machen auf der Erde, ... dass du ... nimmermehr
aufkommen kannst.« Jesaja 14,12.14; Hesekiel 28,18.19 »Denn siehe, es
kommt ein Tag, der brennen soll wie ein Ofen; da werden alle
Verächter und Gottlosen Stroh sein, und der künftige Tag wird sie anzünden,
spricht der Herr Zebaoth, und wird ihnen weder Wurzel noch Zweige lassen.«
Maleachi 3,19 Das ganze Weltall wird Zeuge des Wesens und der Folgen der
Sünde geworden sein. Wäre ihre totale Ausrottung gleich am Anfang geschehen,
hätte das die Engel in Furcht versetzt und Gott Schande gebracht. Nun
wird seine Liebe gerechtfertigt und seine Ehre vor allen Geschöpfen des Weltalls
erhoben, deren größte Freude es ist, seinen Willen zu tun, und in deren
Herzen sein Gesetz geschrieben steht. Nie wird das Böse wieder auftreten.
Das Wort Gottes sagt: »Es wird das Unglück nicht zweimal kommen.« Nahum 1,9
Das Gesetz Gottes, das Satan als ein Joch der Knechtschaft geschmäht hat,
wird als Gesetz der Freiheit geehrt werden. Die geprüfte und bewährte Schöpfung
wird nie wieder abfallen von ihrer Ergebenheit gegen den, dessen Wesen
sich völlig in unergründlicher Liebe und unendlicher Weisheit offenbart hat.